Bio-Palmöl – vermeiden oder unterstützen?

Die Freundin war vor kurzem mal wieder als Aktivistin unterwegs. Dieses Mal ging es um die Problematik Palmöl. Freunde von uns, die sehr strikt gegen Palmöl sind, und später eine Petition bei Rettet den Regenwald haben uns dazu gebracht, mal nachzusehen, wo überall Palmfett drin ist. Und tatsächlich: sehr viele unserer Lieblingsprodukte enthalten Palmfett.

Was ist eigentlich so schlimm am Palmöl? In kurzen Worten: weil dafür Regenwald gerodet wird. Viel Regenwald. Greenpeace findet Palmöl blöd, und auch RDR kritisiert die Nutzung von Palmöl generell, nicht nur in konventionellem Rahmen:

Auch die Biobranche setzt voll auf Palmöl. In weit über 400 Bioprodukten der bekannten Hersteller wie Alnatura, Allos, Rapunzel usw. ist Palmöl enthalten. Bei deren Lieferanten, der Daabon-Gruppe in Kolumbien, hat Rettet den Regenwald schwere Unfälle und Leckagen, Wasservergeudung, Umweltverschmutzung, Rodungen und Landvertreibung von Kleinbauern festgestellt. Auch hier dehnen sich die riesigen Öl­palm-Monokulturen auf tausenden Hektar Land aus. Die verdienen nach Ansicht von Rettet den Regenwald auf keinen Fall „Bio“siegel für „ökologische“ Landwirtschaft und „Fair Trade“.

Hmmm, Moment mal, Rapunzel? Wer halbwegs regelmäßig im Bio-Laden einkauft, dem wird Rapunzel ein Begriff sein. Wir sind auch große Fans der Firma, die schon seit 1975 eine Vorreiterrolle bei bio-vegetarischen und -veganen Produkten einnimmt. Und die Leute sollen mit Schuld an Regenwaldrodungen sein? Rapunzel stellt auf seiner Webseite klar, dass sie durchaus Palmöl verwenden, allerdings aus ihrer Sicht in verantwortungsvoller Weise. Faire Anbaubedingungen, nachhaltig und Bio, klingt doch toll, oder nicht?

Da musste nachgehakt werden. Zuerst wurde Rettet den Regenwald um eine Stellungnahme zu den Infos auf Rapunzels Webseite gebeten. Die Antwort von RDR fiel erst mal recht knapp aus, aber das Argument ist nachvollziehbar:

Hallo

wie Rapunzel ganz richtig schreibt sind die großen Plantagen und der Biodiesel das Problem. Damit beschäftigen wir uns. Das Projekt in Ghana können wir nicht aus eigener Anschauung beurteilen.
Es fragt sich aber warum wir nicht Öl aus Europa verwenden, Raps, Sonnenblumen, Leinsaat, Oliven. Das scheint uns der richtige Weg.

Und was sagt Rapunzel selbst zu den Vorwürfen?

Liebe K.,

vielen Dank für Deine Nachricht und Interesse an unseren Produkten und deren Hintergrund. Deine Besorgnis wegen der Regenwaldzerstörung für Palmöl kann ich nachvollziehen. Deshalb gleich zu Beginn:
Für unser Bio Palmfett wurde/wird kein Urwald abgeholzt. Ich kann Ihnen versichern, dass keine Flächen gerodet werden, um für Rapunzel Bio Ölpalmen anzupflanzen. Das wird von uns sehr genau kontrolliert und zwar mit regelmäßigen Besuchen unserer Agraringenieure vor Ort.

Wir bei Rapunzel haben uns über Palmöl als Rohstoff sehr weitgehend Gedanken gemacht und beziehen bewusst kein Palmfett aus Indonesien bzw. Südostasien. Abgesehen davon gibt es dort unseres Wissens nach keine Palm Plantagen, die nach den Kriterien des kontrolliert biologischen Anbaus arbeiten.

Der Bio-Palmanbau ist aus unserer Sicht die einzige Alternative zum konventionellen Palmanbau. Im Bio-Anbau werden alle pflanzlichen Bestandteile aus der Palm-Verarbeitung kompostiert und als Mulch in den Ölpalm-Plantagen ausgebracht. Damit wird der Humus-Gehalt des Bodens aufgebaut und der Boden mit Nährstoffen versorgt. In den Palmenhainen werden verschiedene Gründüngungspflanzen angesät. Die Nutzung der Ölpalmen liegt im Konventionellen bei 7 Jahren, im Ökologischen Landbau bei ca. 30 Jahren. Zudem werden im Bio Anbau ständig neue Pflanzen auf der Plantage nachgezogen, die die alten Bäume dann nach und nach ersetzen, d.h. die Bio-Ölpalm-Plantagen werden dauerhaft genutzt.

Auch ist die biologische Vielfalt der Palmkulturen dort aufgrund der ökologisch nachhaltigen Bewirtschaftung höher als bei alternativen Landnutzungen in der Region, möglicherweise sogar höher, als beim Anbau von Raps, Sonnenblumen oder ähnlichen Ölsaatkulturen bei uns.

Wegen Deines Blogs und Thema Palmöl. Letzten Endes kann jeder ins Netz stellen, was er möchte… Vielen Dank, das Du bei uns anfragst! Das ist eher selten.

Wenn Du noch Fragen hast, dann melde Dich bitte bei uns. Wir sind gerne für Dich und Dein Anliegen da.

PS: meine Kollegin aus der Rohstoffsicherung hat mit mitgeteilt, Ölpalmen sind mit die flächeneffizientesten Pflanzen (das Verhältnis von Ertrag zu Fläche). Betreibt man den Anbau ökologisch und nachhaltig in überschaubaren Strukturen, kann man in manchen Ländern/Regionen den Flächendruck damit u.U. ein wenig vermindern helfen. Das ist das, was wir tun. Und wenn das noch verbunden ist mit dem sozialen Aspekt des fairen Handels, mit Krankenversicherung für die MitarbeiterInnen, Förderung von Frauen wie z.B. in Ghana ist eine Frau Chefin der Ölmühle etc. dann ist das aus unserer Sicht absolut vertretbar.

PS: zum Link von Rettet den Regenwald: wir verwenden schon seit geraumer Zeit kein Palmöl von Daabon aus Kolumbien mehr für unsere Produkte. Diese Meldung ist leider nicht auf dem aktuellen Stand.

Schon toll, dass sich da jemand die Mühe macht, so ausführlich zu antworten. Trotzdem – nochmal genau nachhaken kann nie schaden:

Hallo A.,

[…]

Was du schreibst, klingt auch erstmal alles ganz gut: keine Daabon-Produkte, Kompost, Mulch, Gründüngung, dauerhafte Nutzung, biologische Vielfalt usw. Einige Fragen habe ich dennoch dazu: Wie konkret wird der Flächendruck durch die Flächeneffizienz vermindert? Dadurch, dass es eine dauerhafte Plantage ist mit unterschiedlich alten Bäumen? Wie wird die biologische Vielfalt erreicht? Was ist anders im Gegensatz zu Sonnenblumen- oder Rapsfeldern? Ghana und Esmeraldas, die Gebiete, die Rapunzel auf ihrer Webseite beschreibt, befinden sich genau im Regenwaldgebiet. Also war auf diesen Flächen definitiv irgendwann mal Regenwald. Auch wenn der ökologische Palmölanbau eine möglicherweise höhere biologische Vielfalt als regionale Ölsaatenkulturen erzielt, bin ich nicht unbedingt der Meinung, dass er die einzige Alternative zum konventionellen Anbau ist. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sonnenblumen- und Rapsöl in Produkten einen so gravierenden Unterschied machen. Selbst wenn, was solls. Vermutlich ist Sonnenblumen- und Rapsöl auch teurer als das „billige Palmöl“. Was solls. Ich bin gern bereit, mehr für noch nachhaltiger und ökologisch sinnvollere Produkte zu zahlen. Durch regionale Rohstoffe hätten wir weniger CO2-Ausstoß. Bei uns bewirtschaftete Felder lassen sich außerdem immer noch am besten kontrollieren. Zur Biodiversität der Palmölplantagen kann ich nichts sagen. Rechtfertigt diese den Bezug weit hergereister Rohstoffe?

Ich weiß, das Thema ist für eine Email-Diskussion viel zu vielschichtig. Da fließen soziale Aspekte ja auch mit ein, die ich hier jetzt gar nicht erst anschneiden möchte.

Ich möchte euch mit meiner Email nicht angreifen, aber ich will euch damit sagen, dass ich es schon schöner fände, wenn ihr regionales Pflanzenöl in euren Produkten verwenden würdet. Abgesehen von der Palmölgeschichte finde ich toll, was ihr tut, und dass sich jemand die Zeit nimmt, alles so transparent und ausführlich zu beantworten.

Und tatsächlich, bei Rapunzel nimmt man sich eine Menge Zeit für die Kundschaft. 🙂

Hallo K.,

vielen Dank für Deine freundliche und ausführliche Rückmeldung.
Ich hoffe, es ist in Ordnung, dass ich Dir nicht alle Fragen beantworte, weil, wie Du selbst schreibst, das Thema wirklich sehr komplex ist.
Das würde viel zu weit führen – und offen gesagt gibt es da keine einfache Lösung. Alle Wege haben ihre positiven und negativen Aspekte. Das Leben wird einfach, wenn wir in Gut und böse aufteilen. Aber so ist die Welt nicht. Sorry für meine Abschweifung!

Flächendruck, Rodungen:
Klar, dass auf gar keinen Fall für Rapunzel Primärwald gerodet oder dies auch nur geduldet wird.
Ghana und Ecuador sind Projekte, die auf Initiative anderer entstanden sind. Es ist nicht so, dass wir von Rapunzel diese Palmen angepflanzt haben.

Bei den beiden Lieferanten fand in der Regel eine Umnutzung bestehender Nutzflächen statt (andere Kulturpflanzen wurden dort kultiviert. z.B. Kakao, Ölpalmen).

Wir können nicht ausschließen, dass bei Bauern hierfür in vergangenen Jahrzehnten auch die Rodung von Wäldern stattfand (vor allem in den 1970er und 1980er Jahren gehörte das in einigen Staaten leider auch zu den Wirtschaftsprogrammen mancher Landes-Regierungen in den Ländern, um einzelne Regionen zu „fördern“ oder auch um dem Bevölkerungswachstum zu begegnen). Darauf bezieht sich auch der Begriff Flächendruck. Zu viele Menschen, die zu wenig Land besitzen, um darauf anzubauen und davon leben zu können.

Generell sehen wir Abholzung als großes Problem: nicht nur von Primär-Wald, sondern auch von sogenanntem Sekundär-Wald. Wir denken, dass Flächennutzung für unsere Lebensmittel eine Balance finden muss zwischen Effizienz und ökologisch nachhaltiger und damit dauerhafter Nutzungsmöglichkeit – dies, um nicht immer wieder neue fruchtbare Flächen in Beschlag nehmen zu müssen.

Tatsächlich ist es so, dass hier gerade Ölpalmen eine sehr effiziente Nutzung von Fläche möglich machen – mehr als manch andere Ölpflanzen. Im Ökologischen Landbau setzen wir auf die Erhaltung und nachhaltige Förderung der Bodenfruchtbarkeit. Das heißt z.B. auch, dass eine Parzelle mit Ölpalmen sehr langfristig genutzt werden soll. Dies ist nur möglich, wenn Nährstoffe, die der Fläche entzogen werden auch immer wieder zugeführt werden.

Die durchaus berechtigte Diskussion um konventionelles Palmöl ist entstanden durch die massive Abholzung und den flächendeckenden Anbau von Ölpalmen v.a. in Asien und auch immer mehr in anderen Kontinenten. In Asien kam aufgrund der Bodenqualitäten hinzu, dass hier oft ein gewisser Flächennomadismus betrieben wurde und wird – nach einer Nutzung von wenigen Jahren werden neue Flächen gerodet und bepflanzt.

Dabei ist die Ölpalme an sich in Verruf geraten ohne immer im Detail hinzusehen, wie die Ölpalmen tatsächlich kultiviert werden. Aber gerade die Kulturform macht aus unserer Sicht den Unterschied!!

Wenn Standorte vernünftig gewählt werden (Bodenqualitäten), keine Rodung von Primärwald (oder auch von entsprechenden Sekundärwäldern) dafür stattfindet und die Kulturform auf Dauerhaftigkeit ausgelegt wird mit gleichzeitiger Berücksichtigung weiterer Umweltschutzaspekte (z.B. kein Einsatz schädlicher chemischer Pflanzenschutzmittel und Biodiversität z.B. im Unterwuchs) und auch sozialer Aspekte kann auch der Anbau von Ölpalmen Sinn machen wie auch der Anbau anderer Produkte.

Als Dauerkultur macht der Anbau von Ölpalmen manchmal evtl. sogar mehr Sinn als jährlich wechselnde Kulturen (für die die Bodenstruktur immer wieder umgewühlt wird, was gerade in den Tropen auch zu schnellem Humusabbau führen kann).

Wir setzen auf den Ökologischen Landbau als nachhaltige und dauerhafte Landbauform, um ein Auskommen für die Bauern zu ermöglichen und um bestehende Waldflächen erhalten zu können! Faires kbA Palmöl ist kein billiger Rohstoff.

Warum kein Raps- oder Sonnenblumenöl in den Nuss Cremes:
Wir setzen Palmfett nur dann ein, wenn es keine Alternative gibt. In unseren süßen Brotaufstrichen wie Samba setzen wir zum einen auf einen hohen Nussanteil -zum anderen können sie ohne Palmfett nicht in Bio Qualität hergestellt werden. Die Alternative zu Palmfett wären gehärtete Fette. Dies lehnen wir ab und ist zu recht für Bio Produkte nicht erlaubt.

Raps- und Sonnenblumenöl:
müssten desodoriert werden, weil sie einen stark saatigen Eigengeschmack haben. Das haben wir bereits vor Jahren schon intensiv ausgetestet und einstimmig wegen Geschmack und Konsistenz abgelehnt.

Außerdem ist Palmöl wie kein anderes pflanzliches Fett in der Lage, so große Mengen Nussöl einzubinden. So sind zum Beispiel bei 45 % Nüssen im Samba nur noch etwas mehr als 10 % Palmfett notwendig, damit es streichfähig und cremig wird.

Würde man hierfür z.B. Kakaobutter verwenden, bräuchte man in Relation viel mehr Fett und das Endprodukt wäre auch bei Raumtemperatur sehr fest.
Auch Kokosfett ist nicht in der Lage soviel Flüssigöl zu binden und das Endprodukt wäre bereits bei etwas über Raumtemperatur (25°C) sehr flüssig und instabil. Sprich: die Creme wäre flüssig und / oder das Öl würde sich an der Oberfläche absetzen.

Ich hoffe, ich konnte Dir eine kleinen Einblick geben. Letztlich ist jede/r frei, um selbst zu entscheiden, ob auf Palmöl verzichten oder zu sagen, wenn schon, dann Bio und fair!

Herzliche Grüße und alles Gute für Dich

A.

Tja. Da steh ich nun, ich armer Tor! Und bin so klug als wie zuvor. Wir sind weiterhin Fans von Rapunzel, vielleicht sogar noch mehr als vorher. Wenn alle Firmen sich so viele Gedanken machen und sich so ausführlich Zeit für ihre Kunden nehmen würden, wäre die Welt ein bedeutend besserer Ort. Im Gegensatz dazu gibt es ja auch Firmen wie OATLY, bekannt für ihre leckere Hafersahne, die sich auf umstrittene Pseudo-Siegel wie RSPO ausruhen. Dazu gibt es bald einen eigenen Artikel. Die Leute bei Rapunzel scheinen alle ihre Entscheidungen sorgfälitig durchdacht zu haben, und gehen eingeschlagene Wege dann auch konsequent bis zum Ende.

Trotzdem werden wir in Zukunft auf jeden Fall noch kritischer auf die Zutatenliste kucken, ob es nicht doch eine Alternative mit z. B. Sonnenblumenöl gibt.

Ich denke, mit ihrem Schlusssatz hat es die Frau von Rapunzel gut auf den Punkt gebracht. Wenn schon, dann Bio und fair. Wäre schön, wenn das immer gelten würde.

5 Antworten zu “Bio-Palmöl – vermeiden oder unterstützen?”

  1. Domenica Ott

    Wow, das ist mal ein differenzierter und konstruktiver Austausch, auf den ich beim recherchieren über Bio-Palmöl gestossen bin. Ja, nachhaken und recherchieren ist Arbeit und kostet Zeit. Aber jetzt fühl ich mich tatsächlich besser informiert und kann beim Einkaufen besser entscheiden, danke an beide Seiten!

    Antworten
    • Fup

      Danke für deinen Kommentar. Schön, wenn der Beitrag dir bei deinen Recherchen geholfen hat. Auch drei Jahre später sind wir immer noch große Fans von Rapunzel, und versuchen gleichzeitig Palmöl zu vermeiden.

      Antworten
  2. Landpomeranze

    Hallo,
    bin auf diesen Blogeintrag gestoßen, weil ich Infos zu dem von Alnatura verwendeten Palmöl gesucht habe. Danke dafür! Nun bin ich generell am Überlegen: Ist Alnatura so toll, wie sie tun? Die haben teilweise ja schon Bioland- und Demeterqualitäten bei ihren Produkten; andererseits betreiben sie auch eine Expansionspolitik, die ich relativ aggressiv finde, und erfahrungsgemäß ist es mit der Nachhaltigkeit dann meist nicht mehr so weit her. Würde mich interessieren, wie Du das siehst.
    Viele Grüße aus dem Süden!

    Antworten
    • Fup

      Hallo Landpomeranze,

      naja, ich sag mal so: Die Welt muss komplett bio und fair ernährt werden. Aber eine globale Energie- und Ernährungswende schaffen wir kaum mit kleinen Tante-Emma-Läden. Wir brauchen also solche größeren Firmen. Und da ist mir Alnatura wesentlich lieber als jedes konventionelle Unternehmen.

      Wir versuchen immer, bei allen Produkten möglichst das regionalste, fairste, usw. auszuwählen. Wir haben es aber auch leicht hier in Dresden mit genug Auswahl. In kleineren Städten haben die Leute dann oft schon Glück, einen DM in der Nähe zu haben oder eine eigene Alnatura-Filiale – immerhin. Was ich damit sagen will: Alnatura ist nicht unsere erste Wahl, aber auf jeden Fall sind sie weit im grünen Bereich.

      Antworten

Antworten

  • (wird nicht veröffentlicht)