Missachtung des Gerichts

Vor kurzem hatte ich einen Termin beim Amtsgericht hier in Dresden. Nein, nein, ich war brav. Ich sollte nur als Zeuge vorstellig werden, weil ich einen Unfall beobachtet hatte. Interessant dabei ist, dass ich mit meiner Einladung in schönstem Beamtendeutsch auch eine Androhung „von bis zu 1000€ oder Ordnungshaft” bekommen habe, obwohl ich mich ja freiwillig gemeldet hatte. Aber darum gehts in diesem Beitrag eigentlich nicht.

barfuß-Fuß

Was’n das?

Die liebe Sonne lacht!

Da es einer der ersten wirklich warmen Tage dieses Jahr war, bin ich, naiv-fröhlich wie immer, barfuß ins Amt marschiert. Ich kam nur nicht weit. Kurz hinterm Eingang lauerte schon die Obrigkeit. Etwas größer als ich, Seitenscheitel, unrasiert, und mit einer offensichtlichen Vorliebe für ungesundes Essen. Klar, eine gewisse Sicherheit sollte schon gewährleistet sein, aber dass das Standards wie auf einem Flughafen sind… Egal. Das Hauptproblem für den verantwortlichen Aufseher war weniger mein kleines Taschenmesser, sondern – mein fehlendes Schuhwerk. Mit einem kurzen Nicken in Richtung meiner Füße: „Wasn das?” stellte er auch ziemlich schnell klar, wer hier das Sagen hätte und wo genau das Problem liegt.

Diskutieren wollte der gute Mann nicht mit mir, und da ich nicht viel Zeit bis zum Termin hatte, habe ich mich leider einschüchtern lassen und meine Sandalen vom Fahrradkorb geholt.

Spannend wurde es noch mal nach der Verhandlung. Ich bin wieder zum Ordnungdienst hin, habe mein Taschenmesser wieder in Empfang genommen, und den braven Hüter von Anstand und Moral noch mal angesprochen, warum genau er eigentlich so ein Problem mit meinen blanken Füßen hätte.

Meine Versuche, bei ihm etwas Verständnis für meinen Lebensstil zu erzeugen, schlugen natürlich kläglich fehl. Er empfand es irgendwie als reine Provokation meinerseits, dass ich ohne Schuhe in seinem Gebäude rumlaufen wollte. Ich konnte ihn zumindest überzeugen, dass ich nicht aus Bosheit genau für diesen Anlass meine Schuhe ausgezogen hätte, sondern immer so rumstürze.

Auf die Barrikaden!

Aber was er nach mehrfachem Nachfragen zugeben musste: Er hätte nicht das Recht gehabt, mir den Zutritt zum Amtsgericht zu verweigern. In der Hausordnung gibt es keine Regelung, die Schuhwerk vorschreiben würde. Sein Hinweis, dass „der Richter mich so wegen Missachtung des Gerichts rausschmeißen würde” ist genau das: nur ein Hinweis. Darauf hätte ich es ankommen lassen. Mein Respekt vor der Würde des Richteramtes zeigt sich in einem höflichen, ruhigen Umgang miteinander. Oder darin, dass man in Diskussionen den anderen ausreden läßt, was nebenbei bemerkt diesem Tugendwächter eher schwer fiel.

Auch das Internet liefert keinerlei Belege dafür, dass jemals jemand wegen Barfüßigkeit nicht vor Gericht aussagen durfte. Freizeitkleidung ist heutzutage überhaupt kein Problem mehr in deutschen Gerichten, und keine Schuhe zu tragen ist bei mir eben Freizeitkleidung.

Ich hab natürlich der Richterin später einen Brief geschrieben, weil ich wissen wollte, ob sie meine nackten Füße tatsächlich als Missachtung empfunden hätte. Leider kam noch keine Antwort, aber ein bissl Hoffnung habe ich noch.

Jedenfalls erstaunt es mich immer wieder, wie knapp hinterm Brillenbügel bei vielen Menschen schon der Tellerrand endet. Warum ist es so schwer, Menschen mit alternativen Lebensentwürfen einfach machen zu lassen? Ich war doch in keiner Weise eine Bedrohung für ihn und sein Leben oder für die Arbeit, die er machen sollte. Leider löst alles, was nach „Das ham wa schon imma so gemacht” klingt, bei mir einen starken Dis­kussionsdrang aus.

Zu einer Hochzeit zieht man einen Anzug an, zu einer Beerdigung geht man in schwarz, und vor Gericht erscheint man gefälligst ordentlich mit Schuhen.

Ich hätte brennende Lust, noch mal freudestrahlend mit schamlos entblößten Füßen dort hin zu marschieren. Schade, dass ich nicht öfter zum Gericht muss.

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