Nachhaltig sterben!

Update August 2019:

Washington hat es als erster Staat der USA erlaubt, sich kompostieren zu lassen. Kritik kommt zwangsläufig von der Kirche, da „dem Toten nicht der nötige Respekt“ entgegen gebracht werde. Was zur Hölle? Darf das bitte jeder selbst entscheiden, ob die Selbstkompostierung respektvoll ist, oder nicht? Ich finde es jedenfalls ganz entzückend, und hoffe, dass sich das bis zu meinem Tod auch hier etabliert. Notiz an mich selbst: Bestattungsverfügung anpassen!

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Na endlich! In Sachsen gibt es jetzt auch die Möglichkeit, sich, bzw. seine Reste, in einem sogenannten Friedwald bestatten zu lassen. Und zwar im Planitzwald, in der Nähe von Leipzig. Ein Wandertag dorthin steht ab sofort für dieses Jahr noch auf dem Plan.

Ein Friedwald ist eine Form der Naturbestattung. Man sucht sich einen schönen Baum aus, für sich allein oder geteilt mit ein paar anderen Urnen, und los gehts. Die Bäume sind meist mit kleinen Nummern markiert, damit Angehörige die Stelle finden können, sonst deutet nichts auf ein Grab hin. Alle Urnen sind vollständig abbaubar.

Selbst tot noch das Klima belasten?

Der Gedanke, dass ich selbst über meinen Tod hinaus noch den Planeten zerstöre, weil mein Grab eine Betonfassung braucht oder mein Sarg lackiert sein muss, gruselt mich. Kränze mit Steckmasse drin, Grablichter aus Erdöl? Künstliche Blumen, die schön lange halten, oder pseudo-religiöse Plastikengelchen? Der Ideenreichtum kennt bei der Erzeugung von Müll keine Grenzen.

Natürlich kann ich verstehen, dass die, die vielleicht mal um mich trauern, das Bedürfnis haben werden, die Grabstelle „schön” herzurichten. Die Grabpflege ist ja nicht für mich, sondern ist Trauerarbeit für die Hinterbliebenen. Ich will ja auch niemandem das Trauern verbieten – aber ich kann es wenigstens in nachhaltige Bahnen lenken. Denn in Friedwäldern ist klassische Grabpflege nicht erlaubt.

Urne in einem Friedwald

Eine schöne Stelle zum Totsein. Quelle:friedwald.de

Laut Sächsischer Zeitung sind Grabgestecke in Friedwäldern nämlich „gar nicht erwünscht, wohl aber eigene Kreationen aus dem, was die Natur hergibt.” (Mir fallen da spontan die zu groben Figuren zusammengebundenen Stöcke aus „Blair Witch Project” ein – aber das wäre wohl ein bissl heftig.) Ganz im Ernst: Was kann es schöneres geben als „unberührte” Natur? Ein Friedwald verbindet den Wunsch nach einem Ort zum Trauern mit praktischem Naturschutz.

Die Urnen selbst bestehen aus einem Biokunststoff, sogenanntem Flüssigholz, der vollständig biologisch abbaubar ist.

Nachhaltig sterben – schwieriger als gedacht

Natürlich gibts auch immer Schattenseiten. Zum Beispiel beim Preis. Klar, es ist billiger als sich normal begraben zu lassen, weil keine Kosten für Grabpflege oder einen Steinmetz entstehen. Billig ist die ganze Geschichte trotzdem noch nicht – ein Bestatter ist Pflicht, und der Friedwaldbetreiber ist ja auch ein gewinnorientiertes Unternehmen.

Zudem gibt es bei weitem noch nicht so viele Friedwälder wie Friedhöfe. Ich kann mich also nicht in Dresden bestatten lassen, obwohl ich hier meinen Lebensmittelpunkt habe. Das kann für Menschen, die einen bestimmten Ort brauchen, um um mich zu trauern, manchmal ziemlich lange Wege bedeuten.

Und selbstverständlich ist das innovative Konzept der Bestattung in der Natur streng reglementiert. Wir sind hier immerhin in Deutschland! Mein Traum wäre es nämlich, mich einfach nur kompostieren zu lassen. Oder zumindest einfach Jutebeutel drum, und eingegraben – dann hat der Baum noch ordentlich was von mir. Leider ist im Friedwald „aus bestattungsrechtlichen Gründen” nur eine Urnenbestattung möglich. Naja, immerhin.

Was auch nicht geht, ist, sich gleich ohne Sarg verbrennen zu lassen. Wozu noch extra eine Kiste zimmern, um sie dann zu verbrennen? Das Schlagwort lautet hier: Sargpflicht. Das ist allerdings unabhängig von Friedwäldern, das ist einfach so in Deutschland. Beim Einäschern wird es u. a. damit begründet, dass der Körper ja zu großen Teilen aus Wasser besteht, und deswegen auf jeden Fall noch Material zur Verbrennung zugegeben werden muss. So ein Bullshit. Legt mir ein paar alte Bretter mit rein oder drei Kilo Holzpellets! Und wer jetzt mit Pietät argumentiert – 10 Minuten, bevor mein toter Korpus in einen Hochofen geschoben wird, ist mir das herzlich egal, ob noch irgendwer meine blanken Backen sieht.

Zum Weiterdenken – es geht immer noch einen Zacken krasser

Beim Schreiben des Artikels und den Recherchen dazu bin ich auf die alkalische Hydrolyse gestoßen. Man nehme einen Druckbehälter aus Edelstahl und eine starke Kalilauge, und nach ein paar Stunden ist von mir nur noch eine braune Flüssigkeit übrig. Laut Wiki kann „die resultierende Flüssigkeit im Normalfall bedenkenlos über den Abfluss entsorgt werden”. Klingt zwar ziemlich kaltherzig, soll aber sehr umweltfreundlich und billig sein. Ist bisher halt nur in Amerika erlaubt, aber Trends schwappen ja regelmäßig über den Ozean zu uns. Damit kommen wir dem CO2-neutralen Sterben doch schon ziemlich nahe.

Nachhaltigkeit braucht vorausschauendes Denken

Was ich euch damit sagen will: Es gibt so viele Ecken im Leben, die nachhaltiger gestaltet werden können und sollten. Und ob ich nun im Voraus überlege, was ich einkaufen möchte, damit ich nichts überflüssiges später wegwerfen muss, oder meine Bestattung in einem Friedwald rechtzeitig einfädle, kommt irgendwie aufs Gleiche raus. Es erspart der Erde und allen nachfolgenden Kreaturen ein paar Umweltschäden.

Wirklich jeder kann mithelfen. Ich glaub, ich hätte am liebsten eine Birke.

 


Diesen Beitrag verlinke ich zur neuen Blogparade einfach.nachhaltig.besser.leben [#EiNaB]. Die Linkparty findet im April auf diesem Blog statt.

9 Antworten zu “Nachhaltig sterben!”

  1. Zora

    Hm, kein alltägliches Thema, aber ein wirklich interessantes! Also als Abwasser per Abfluss entsorgt zu werden find ich nicht so prickelnd, aber ein ganz simpler Holzsarg und ein „Recyclingstein“ stehen bei mir auch auf der Liste. Danke für die spannende Anregung!
    LG Zora

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    • Fup

      Danke für deinen Kommentar.

      „Recyclingsteine“ kannte ich bisher auch noch nicht. Man lernt eben nie aus. Dabei ist die Idee bestechend simpel, einfach alte Steine abzuschmirgeln und neu zu beschriften. 🙂

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  2. Fjonka

    Ich möchte auch in einen Friedwald (wenn schon nichts umweltfreundlicheres erlaubt ist) Ein Vorteil gegenüber der Kalilauge: es wird auch noch ein Stück Natur geschützt – ich will mich rechtzeitig (wann ist das????) noch erkundigen, für wie lange so ein Friedwald denn dann als Wald geschützt ist. Und ob es auch welche gibt, die nicht parkartig erschlossen sind, sondern als „Naturwald“ zwar irgendwann keine Besuche mehr zulassen, aber dafür wirklich Natur sind und bleiben dürfen. Ich hoffe da auch auf noch etwas Zeit und dementsprechende Weiterentwicklungen, denn bisher gibt es sowas, soweit ich weiß, noch nicht.

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    • Fup

      „Rechtzeitig“ wäre, auch wenn es herzlos klingt, jetzt sofort. „Zu spät“ könnte es nämlich schon morgen sein.
      Jedenfalls ist dein Einwand berechtigt. Friedwälder sind ja offiziell Friedhöfe, und nicht geschützte Wälder. Und was mit dem Wald geschieht, wenn der „Friedhof“ voll ist, darüber findet sich auf der friedwald.de-Seite auch nichts. Solange noch ein Nutzungsrecht für ein Grab läuft, wird sich am Wald nichts ändern, aber danach? Ich sollte den Leuten einfach eine Mail schicken.

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  3. Marlene

    Wirklich ein spannendes Thema. Schade, dass man an so vielen Gesetzen da nichts ändern kann (Stichwort: Sargpflicht!), vielleicht weil es öffentlich einfach nicht thematisiert wird. Die Variante „ab durch den Ausguss“ hat für mich aber auch etwas wenig geschmackvolles, abwertendes. Und den Angehörigen fehlt der Trauerort, genau wie wenn der Wald abgeriegelt würde.
    LG, Marlene

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    • Fup

      Für mich wäre es am schönsten, wenn mein Körper später vollständig als Ressource für einen Baum zur Verfügung stehen könnte. Ich könnte es aber auch gut nachvollziehen, wenn Menschen, die ich gern gehabt habe, sich dieser Verflüssigung unterziehen würden wollen. Ich selbst brauche keinen Ort, an dem ich um jemanden trauere, vermutlich weil ich auch keinem Konzept der „Seele“ folgen kann. Die Verstorbenen leben in meiner Erinnerung weiter, und nicht in einem Grab. Ich kann natürlich auch verstehen, dass viele das aber genau so brauchen. Zum Glück öffnet sich die ganze Bestattungs-„Szene“ da ja gerade.

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  4. Herbstwald

    Interessantes Thema. Bisher war mein Gedanke zum Ableben, dass ich meinen Körper zum Üben einer Universität zur Verfügung stelle (den angehenden Ärzten und so) und danach verbrennen und ab unter die Erde. Das beim Verbrennen ein Sarg dabei sein muss, finde ich auch echt unnötig. Von wegen Sargpflicht und Co. So schnell wird es sich nicht ändern, da an einer Bestattung doch viele Unternehmen verdienen.

    Viele Grüße

    Helene

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    • Fup

      Hmmm, das ist nun wieder ein Ansatz, den ich noch gar nicht so betrachtet habe, bzw. früher mal in Ansätzen, aber nie weiter verfolgt. Organspender bin ich schon, und wenn ich mich in einem Freidwald verbuddeln lasse, mache ich mit meinem Tod keinen Müll. Aber dazwischen ist ja noch mehr Platz, der Gesellschaft was Gutes zu tun! 🙂 Ich muss da direkt mal bei unserer Uni anrufen, wie die sowas handhaben. Da ich eh verbrannt werden muss, kann gern vorher noch jemand meinen Körper aufschneiden, und kucken, was drin ist.

      Danke für den Hinweis!

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