Weil man uns sonst als Nazis bezeichnen würde…

Beruflich bedingt hatte ich in letzter Zeit nebenbei immer wieder mal Kontakt mit Videoaufzeichnungen aus dem zweiten Weltkrieg. Die Gewalt, und der ganze Irrsinn, der sich in diesen Bildern offenbart, ist jedes Mal aufs Neue erschütternd für mich. Obwohl ich schon so einiges aus dieser Zeit erfahren habe, hat mich aber eine Sache vor kurzem besonders zum Nachdenken gebracht: Die Schlacht um Leningrad.

Denn Leningrad sollte gar nicht militärisch erobert, sondern im Sinne des Vernichtungsfeldzugs von der Landkarte getilgt werden. Und da Brand- und Sprengbomben nicht genug Zerstörung erzeugten, sollte Leningrad ausgehungert werden. Im Laufe der mehr als zwei Jahre dauernden Belagerung verhungerten ca. 1 Million der etwa 3 Millionen Bewohner.

Ich konnte so etwas noch nie begreifen. Klar, vor dem Hintergrund des ganzen Rassenwahns, der bedingungslosen Liebe zum Führer, und all dem ganzen weiteren Schwachsinn, verstehe ich, wie es zum Krieg kommen konnte. Hätte ich in dieser Zeit gelebt, wäre ich dann auch Landser gewesen? Vermutlich. Unter anderem die Blitzkriegtaktik gab vielen deutschen Soldaten ein Gefühl der Unbesiegbarkeit. Hätte ich also wie viele andere auch an die Überlegenheit der Deutschen geglaubt? Vielleicht.

Aber wenn man als Soldat seit Wochen vor einer russischen Stadt steht, und sie nicht einnimmt, sondern immer nur weiter Artilleriegranaten darauf abfeuert, um die Bevölkerung von jeder Nahrungsmittellieferung abzuschotten, macht man sich da nicht so seine Gedanken? Wenn der Befehl des Führers ganz klar die völlige Auslöschung der Stadt mit all den Menschen darin fordert? Kommt man da nicht irgendwann ins Grübeln, hunderte Kilometer von der eigenen Heimat entfernt?

Ist den Deutschen nicht irgendwann der Gedanke gekommen, dass sie selbst vielleicht „die Bösen” sind?

Heute in Sachsen

Aber dann sehe ich die Nachrichten aus Sachsen. Freital. Heidenau. Zuletzt Chemnitz. Sächsische Beamte, die als Tarnname „Uwe Böhnhard” wählen. Oder der neue SEK-Friedenspanzer zur „Deeskalation”, dessen Sitzbestickung direkt von 1940 stammen könnte – nur bei der Polizei ist das niemandem aufgefallen. Klar, neurechte Tendenzen gibt es anderswo auch, aber gerade hier in meiner Wahlheimat passiert momentan sehr viel Besorgniserregendes. Ich sehe, wie der Hass auf anders Aussehende wieder hochkocht. Und ich ahne, wie es damals so weit kommen konnte. So viele, die mit AfD, Pegida und Identitären in einer Menge stehen, regen sich auf, dass sie nicht als Nazis bezeichnet werden wollen. In Deutschland werden wieder regelmäßig Hitlergrüße gezeigt – das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen.

Kein Nazi, der ein fremdenfeindliches Bild hochhält.

Kein Nazi, der ein fremdenfeindliches Plakat hochhält.

Und vor kurzem dann das hier auf Facebook. Ich weiß schon, warum ich mich da nicht mehr einlogge – ich rege mich nur immer wieder auf. Also echt mal: Arme deutsche Kinder mit großen Kulleraugen weinen sich hungernd in den Schlaf, weil die Ausländer das ganze Essen kriegen? Boah, das ist so hirnrissig, so unglaublich dumpf, so… Bah. Mir fehlen die Worte.

Aber wehe dem, der solche Leute als Nazis bezeichnet. Und genau wie in den Jahren des Zweiten Weltkriegs sehen die Leute die eigenen Denkfehler und boshaften Gedanken nicht. Wollen sie nicht sehen.

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